Die Clubkultur gerät immer mehr unter Druck durch Emmissionsrichtwerte und veraltete Messmethoden. Welche Maßnahmen würdet ihr in Berlin ergreifen, um die Nachtökonomie zu sichern, und unterstützt ihr die Änderung der TA Lärm auf Bundesebene?
Berlin ist die Stadt, die nie schläft. Aber auch hier wollen Menschen auch mal in Ruhe schlafen – z.B. nach einem guten Rave. Damit das gelingt, unterstützen wir Clubs bei Schallschutzmaßnahmen und setzen auf Dialog, auch in herausfordernden Nachbarschaften. Es ist ein Unding, dass Verkehrslärm bessergestellt ist, als Geräusche von Clubs und Kultur. Wir setzen uns für eine Änderung der TA Lärm (Verwaltungsvorschriften für Lärm zum Bundes- Immissionsschutzgesetz) auf Bundesebene ein. Unser Ziel ist es, Clubs und Musikabspielstätten besser vor Klagen durch Anwohner*innen zu schützen – insbesondere, wenn durch neue Gebäude neue „Lärmprobleme“ bei bestehenden Clubs entstehen, aber nicht nur dann.
Clubkultur ist ein bedeutender Teil der Nachtökonomie und schafft Freiräume für Kultur, soziales und gesellschaftliches Engagement. Durch unseren Einsatz wurden die Clubs nun auch rechtlich als Orte der Kultur anerkannt – ein enorm wichtiger Schritt, aber leider fehlt die gesetzliche Verankerung im Bundesbaurecht und die Berliner Verwaltung erklärt auf Nachfrage, dass dieser Beschluss des Parlaments für sie keine Bedeutung habe.
Hier bedarf es einer Änderung der Rechtslage und des Bewusstseins! Wir werden die Clubkultur in unserer Stadt unterstützen, weil sie nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist, sondern das charakteristische nach Freiheit strebende und weltoffene Lebensgefühl unserer Stadt widerspiegelt. Deswegen werden wir uns dafür einsetzen, dass Genehmigungsverfahren für Clubs, Filmdrehs, Kulturveranstaltungen, Festivals, Volksfeste und Open Air- Veranstaltungen, einheitlicher, einfacher, verlässlicher, schneller, kostengünstiger und veranstalterfreundlicher ausgestaltet werden.
„Kulturlärm“ braucht in einer Stadt wie Berlin rechtlich geregelte Privilegierungen! Ausnahmetatbestände müssen erweitert, Genehmigungen vereinfacht und Gebühren reduziert oder abgeschafft werden.
Heinz Zellermayer, nach dem 2. Weltkrieg Chef der Berliner Gastronomen und später 20 Jahre CDU-Abgeordneter im Berliner Abgeordnetenhaus, hat 1946 bei den westalliierten Stadtkommandanten die Abschaffung der Sperrstunde durchgesetzt. Die CDU bekennt sich noch heute zu diesem „Erbe“ und lehnt eine Sperrstunde in Berlin ab.
Wir setzen uns dafür ein, dass der bestehende Lärm- und Immissionsschutz, wie passiver Schallschutz, weiter verbessert und ausgebaut wird. Dazu muss Berlin die entsprechenden Verwaltungsvorschriften und Gesetze im Bereich des Lärmschutzes und des Verwaltungsverfahrens anpassen.
Mit der Novellierung des Baugesetzbuches 2017 haben wir eine neue Gebietskategorie, nämlich das Urbane Gebiet, eingeführt. Dieses zeichnet sich durch Nutzungsmischung aus: Gewerbebetriebe, Wohnungen, aber auch soziale, kulturelle und andere Einrichtungen können in nächster Nähe gemeinsam existieren. Im Urbanen Gebiet finden Wirtschaft, Wohnen und Wohlfühlen nebeneinander statt, und diese funktionale Nutzungsmischung überzeugt die Menschen. Wir haben uns deshalb auf Bundesebene dafür eingesetzt, dass der zulässige Lärmwert im Urbanen Gebiet auf 63 dB(A) (bisher: 60) angehoben wurde. Zugelassen werden können Vergnügungsstätten, soweit sie die Wohnnutzung nicht wesentlich stören. Kommunen können auf Antrag Ausnahmegenehmigungen erteilen. Für die Nachtstunden hatte der Bundesrat auf einer Beibehaltung des zulässigen Werts von 45 dB(A) bestanden. Passiven Schallschutz wie das sogenannte Hafencity-Fenster, das Schallschutz bei teilgeöffnetem Fenster ermöglicht, haben die Bundesländer abgelehnt.
Die nächtlichen Lärmrichtwerte sind in der neu eingeführten Gebietskategorie Urbanes Gebiet nicht über die Werte in Mischgebieten erhöht worden. Unverändert bleibt die Bestimmung der Beurteilungspegel vor geöffnetem Fenster. Da in der Innenstadt aber allein schon ein hoher Verkehrslärm herrscht, sollten die Lärmschutzregularien für Clubs unserer Auffassung nach auf Angemessenheit geprüft werden. Besser als die standardisierte Betrachtung ist aber eine einzelfallorientierte Lärmkonfliktlösung vor Ort in einem Nachbarschaftsrat.
Die TA Lärm ist in vielen Punkten nicht mehr zeitgemäß. Einer Änderung auf Bundesebene sind wir aufgeschlossen. Die Schwierigkeit besteht darin, bei Neuregelungen einen fairen Kompromiss zwischen allen Interessengruppen zu erreichen, die gerade beim Lärmschutz oft gegenteilige Ansichten haben. Landesspezifische Regelungen sind hingegen schwer umsetzbar, da Bundesrecht vor Landesrecht geht und der Bund hier zuständig ist.
Wir arbeiten bereits intensiv an einer entsprechenden Änderung der TA Lärm auf Bundesebene und stehen in einem konstruktiven Austausch mit der Bundestagsfraktion dazu.